Unsere „Kinder“ sind eben anders
„Guck mal, das Bild bewegt sich gar nicht“ – die Mitglieder der Lebenshilfe für Behinderte Sangerhausen e. V. schauen staunend auf ihren neuen Mini-Bus mit den feststehenden Radkappen. Was steckt hinter dem Pro-Humanis-Projekt? Wir haben nicht nur eine Übergabefeier mit ordentlich Stimmung miterlebt, sondern auch berührende Worte der Vereinsvorsitzenden erfahren, die wir einfach aufschreiben mussten. Anstöße zum Nachdenken!
Torben (wir haben uns die Namen ausgedacht) ist körperlich und geistig behindert und auf den Rollstuhl angewiesen. Es tut ihm gut, wenn er einfach dabei sein kann, zum Beispiel auf Ausflügen. Im Gegensatz dazu flitzt die über dreißigjährige Monika aufgeweckt durch die Gegend. Ihr Handicap: Sie ist geistig etwa auf dem Entwicklungsstand eines dreijährigen Kindes. Rudi, Mitte 20, ist manchmal ein ganz schöner Draufgänger. Wenn er es übertreibt und man sagt dann zu ihm: „Komm mal kuscheln“, dann macht er das auch, fährt runter und zeigt, wie praktisch alle, sein Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung.
Menschen mit Handicap brauchen Hilfe
Frau Thieme, stellvertretende Vereinsvorsitzende und Büroleiterin der Lebenshilfe für Behinderte Sangerhausen e. V. gibt uns Einblicke in die Arbeit des Vereins. „Wir möchten den Menschen mit Handicap einfach helfen, weil sie sonst praktisch niemanden haben auf der Welt. Auf sie wird immer noch mit dem Finger gezeigt, sie werden manchmal beschimpft und beleidigt. Es ist unsere Aufgabe, ihnen zu zeigen, dass sie anders, aber immer noch normal sind. Wir vermitteln ihnen das Gefühl, dass sie Teil der Gesellschaft sind, und zwar ein ganz besonderer Teil.“
Es kann so schnell gehen – und schon braucht man Hilfe
Wenn Frau Dietrich und Frau Thieme von „ihren Kindern“ sprechen, meinen sie die Mitglieder des Vereins, vom Jugendlichen bis zum Erwachsenen. Für sie und die Betreuer sind es eben ihre „Kinder“, weil sie ihre Unterstützung brauchen und weil sie so ans Herz gewachsen sind. Manche sind von Geburt an beeinträchtigt, andere durch Kinderkrankheiten oder Unfälle.
Das kann jeden treffen – von jetzt auf gleich!
Aber wer denkt schon darüber nach, wenn es ihm gut geht? „Menschen mit Behinderung haben sich das nicht ausgesucht“, sagt Frau Thieme. Jeder Mensch, egal ob mit oder ohne Behinderung, hat ein Recht auf Inklusion, Integration und Gleichberechtigung. Die Gesellschaft ist aufgerufen, Strukturen zu schaffen, die es jedem Menschen – auch Menschen mit Behinderung – ermöglichen, von Anfang an ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein, so der Standpunkt der Einrichtung.
Der Lebenshilfe-Verein betreut Behinderte ab dem Alter von etwa 12 Jahren, vor allem in den Nachmittagsstunden. „Wir organisieren auch Treffen mit Freunden oder Veranstaltungen, wir gehen zum Baden, machen Ausflüge und gestalten so die Freizeit“, berichtet uns Daniela Dietrich, erste Vorsitzende des Vereins. „Die meisten freuen sich darauf, hier mit ihren Freunden eine schöne Zeit zu verbringen. Zu uns können alle Jugendlichen und Erwachsenen kommen, ganz egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Das ist unser Konzept“, ergänzt sie. Der Unterschied: Behinderte Menschen werden finanziell unterstützt, Menschen ohne Behinderung können sich ehrenamtlich einbringen. Sie basteln oder singen beispielsweise mit den „Kindern“.
Ein geräumigeres Fahrzeug musste her
Irgendwann sind Erwachsene mit einem größeren Rollstuhl dazugekommen. „Wir unterstützen Mitglieder auch unabhängig von der Freizeitbetreuung und fahren sie beispielsweise zu Ärzten, zu Behörden oder zum Einkaufen“, erklärt die Vereinsvorsitzende. Zweimal pro Woche unternehmen sie Ausflüge und holen ihre Schützlinge dazu von den Werkstätten, Schulen oder von zuhause ab und bringen sie auch wieder nachhause. Dazu war ein Fahrzeug mit genügend Platz nötig, zumal viele Anfragen abgelehnt werden mussten.
Die Lösung: Ein neuer rollstuhlgerechter Ford Transit Kombi, sehr geräumig, hoch genug zum aufrecht Stehen, leise, klimatisiert. Und natürlich frei von Anschaffungskosten für die Einrichtung, denn das ist das Ziel des Humansponsoring-Konzepts von Pro Humanis. „Die Kinder haben mit und im neuen Lebenshilfe-Bus viel Spaß“, erzählt Frau Thieme und berichtet von der Faszination, die von den feststehenden Radkappen ausgeht, auf denen wie auf den Außenflächen des Fahrzeugs die Sponsoren-Logos angebracht sind: Auch wenn das Auto fährt, bleibt das Motiv stehen und sorgt für eine ganz besondere Aufmerksamkeit. „Guck mal, das Bild bewegt sich gar nicht“, staunen die „Kinder“ und zeigen auf die Reifen.
„Was wird aus meinem Kind?“
Die Hol -und Bringdienste sind übrigens auch für die Angehörigen von unermesslichem Wert. „Die Eltern werden entlastet, haben ja auch ihre eigenen Termine oder können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Auto fahren. Auch die Eltern werden immer älter! Und ihre größte Sorge ist irgendwann: Was wird aus meinem Kind?“
Wir fragen sie nach ihren Wünschen an die Gesellschaft und denken an die Fingerzeige, die sie anfangs erwähnt hat. Was tut Menschen mit Beeinträchtigung gut? „Wir wollen Anerkennung und keine Ignoranz“, sagt Frau Thieme. „Wir können froh sein, wenn wir gesund sind. Wenn wir uns das bewusst machen, fällt es auch leichter, ein Herz für behinderte Menschen zu haben und sie so wie wir als etwas ganz Besonders sehen.“
Unser Herz hat die Lebenshilfe in Sangerhausen längst erobert – obendrauf zur Unterstützung im Rahmen des Humansponsoring-Projekts. Und wir glauben den Mitarbeiterinnen aufs Wort, wenn sie sagen: „Wir haben unsere Kinder lieb.“ Wie alt sie auch sein mögen!
Weitere Einblicke erhalten Sie im Video-Interview mit Daniela Dietrich anlässlich der Übergabefeier des Ford Transit Kombi. Die Präsentation des neuen Lebenshilfe-Busses, Dankesworte an die Sponsoren, selbstgebackener Kuchen, Gulaschsuppe aus dem Kessel und ein musikalisches Programm der Mitglieder plus ausgelassener Karaoke-Performance waren Teil des Tages, der erst endete, als es dunkel wurde. Schauen Sie rein und erfahren Sie noch mehr über die Einrichtung, ihre Herausforderungen, das Humansponsoring-Projekt und die Zusammenarbeit mit Pro Humanis!